De letzten Monate haben in vielfältiger Weise offenbart, dass unser Haus Europa, in dem sich Völker aus 27 Staaten einrichten und wohlfühlen sollen, ein gutes Stück weit in die Jahre gekommen ist. Der lebendige Gründungsgeist, der sich wesentlich aus den Kriegserfahrungen des letzten Jahrhunderts speiste, ist wegen mangelnder eigener Erfahrungen etwas müde geworden und droht, in routinierten Gewohnheiten an Kraft zu verlieren. Es wurde immer wieder leider deutlich, dass das Projekt Europa von vielen als „Schönwetterveranstaltung“ interpretiert wurde, deren Annehmlichkeiten man gerne entgegen nimmt, die damit verbundenen Verpflichtungen jedoch allzu häufig als lästig und für das eigene Tun hinderlich empfindet.
Die teilweise heftige und damit auch fatale Kritik an der Kommission z.B. bei dem Thema Impfstoffbeschaffung blendet weitgehend aus, dass 27 gleichberechtigte „Familienmitglieder“ ihren Beitrag zum Handeln bzw. Unterlassen geleistet haben! Einen Sack Flöhe hüten ist einfacher! Hinzu kommt eine zu lange Reihe nationaler Alleingänge bei der Pandemiebekämpfung, die einer europäischen Gemeinsamkeit widersprachen. Verschüttete Milch kann man erfahrungsgemäss nicht wieder einfüllen, man kann aber neuerliches Vergießen vermeiden.
Daher sollte eine Renovierungsoffensive für das Haus Europa gestartet werden, die zu einer neuen Hausordnung führt, die das Zusammenleben in einer Welt des Umbruchs, der Bedrohungen vielfältiger Art und der daraus resultierenden Einsicht, dass nur in gemeinsamem Handeln eine reale Chance zum Mitspielen im Weltorchester bietet, den Menschen als erstrebenswertes, notwendiges Ziel beschreibt. Diese Offensive kann jedoch nicht allein Aufgabe von Politik sein, die sich wie wir aktuell sehen schwer tut, Zumutungen zu wagen.
Wir als Bürgerrinnen und Bürger dieses Europas müssen im Alltag dafür sorgen, dass unsere Nachbarn, Arbeitskollegen, Freunde und Bekannte durch uns erfahren, wie wichtig, richtig und notwendig ein wirklich gemeinsames Europäisches Haus ist! Dass es sich darin gut und sicher leben lässt! Dass es den Stürmen widersteht und dass es die Quelle einer gedeihlichen Zukunft ist!
Wenn wir, jede und jeder an seinem Platz, damit die Grundlage schaffen, werden wir auch die politisch Verantwortlichen überzeugen können, dass eine neue Hausordnung kein Abstimmungswagnis, sondern Wille der Völker Europas ist!
Wir haben schlicht keine andere Chance! Beginnen wir heute!